Von Riesen und Rutschen – wie das Holz ins Tal kam
Gegenüber dem Neckarland hatten die abgelegenen Höhen der Schwäbischen Alb angesichts der eher dünnen Besiedlung einen Überschuss an Holz. Darauf wurde man vor allem im späten 17. aufmerksam, einer Zeit der großen Holzknappheit.
An vielen Berghängen der Schwäbischen Alb finden sich rinnenartig eingetiefte Linien, die senkrecht ins Tal führen. Wofür und wohin? Sie sind die Lösung eines Problems, das sich ab dem Mittelalter zunehmend stellte: wie bekommt man das auf den Höhen eingeschlagene Holz am leichtesten ins Tal zu den Siedlungen? In die Rinne und dann bergab!
Nach dem Dreißigjährigen Krieg fehlte es im bevölkerungsreichen, aber waldarmen mittleren Neckarraum und auch an den herzoglichen Residenzstädten Ludwigsburg und Stuttgart an Brennholz. Anstatt zeitaufwendiger und teurer Anfuhr auf Wegen und Straßen kam man im späten 17. Jahrhundert auf die Idee, das Scheiterholz aus dem Uracher Forst mit einer langen 'Riese' oder 'Rutsche' von der Höhe ins Ermstal zu befördern. Die Reise ging dann per Wasserkraft über Erms und Neckar bis nach Stuttgart. Zuvor allerdings musste die Erms mit erheblichem Aufwand flößbar gemacht werden.
1681 schließlich errichtete man beim Rutschenfelsen den Rutschenhof als Stapel- und Umschlagplatz der anliefernden Holzgespanne. Er diente zugleich auch als Unterstellhof für das Zugvieh, Wasser gab es beim nahegelegenen Rutschenbrunnen. Von hier aus ging das Scheiterholz dann zum Tiergartenberg über der Stadt Urach, wo es zwischen dem nördlichen und mittleren Hanner Felsen über eine große Holzrutsche das Holz ins Tal abgelassen wurde. 1730 wurde dann eine damals nahezu einzigartige, rund 260 m lange Eisenkonstruktion aus Röhren errichtet, die haltbarer als die hölzerne sein sollte. Sie blieb für etliche Jahrzehnte in Betrieb. In Seeburg gab es ab 1747 eine weitere, wenn auch kleinere Rutsche.
Bis 1739 wurden jährlich 4000 Klafter (ein Klafter entspricht etwa 3,5 Festmeter) Brennholz auf diese Weise nach Stuttgart geschickt. Um 1821 wurde die Holzflößerei eingestellt. Heute erinnern nur noch die kleine Schutzhütte auf der Wiese am Rutschenfels an den 1828 abgebrochenen Rutschenhof. Eine wohl eigens für die Anlage der Holzrutsche in die ansonsten kaum überwindliche Felsstufe geschlagene Kerbe am Hannerfels macht - neben den Rinnen im Hang - dieses Kapitel des innovativen Holztransports und der Energiegewinnung immer noch sichtbar.
Jürgen Hagel: Über die herrschaftliche Brennholz-Flößerei von der Fils, Lauter und Erms nach Stuttgart seit dem 17. Jahrhundert, in: Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 61 (2002), S. 185 ff.
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