Denk an dein Erbarmen, Herr

Im Zentrum dieses Programms steht Frank Martins doppelchörige Messe für zwei gemischte Chöre – ein Werk, das trotz seiner beeindruckenden Klangfülle von tiefer Zurückhaltung und innerer Spiritualität geprägt ist. Martin schrieb die Messe zwischen 1922 und 1926, hielt sie aber jahrzehntelang unter Verschluss – zu persönlich erschien ihm dieses Werk, das ohne äußeren Auftrag entstand und nicht zur Aufführung gedacht war.

Martins Messe orientiert sich am traditionellen Aufbau des Ordinariums. Sein Stil verbindet Melodien, die über weite Strecken pentatonischen Charakter haben mit einer modal gefärbter Harmonik. Immer wieder entstehen klangliche Spannungen durch expressive Dissonanzen, die jedoch nie in expressive Dramatik kippen, sondern organisch aus dem polyphonen Satz herauswachsen. Die Musik wirkt trotz ihrer harmonischen Komplexität zurückgenommen und durchsichtig – ein stilles, aber tief empfundenes Bekenntnis.

Zwischen die Sätze des Ordinariums treten in diesem Konzert passende Propriumsgesänge, die sich auf den zweiten Fastensonntag im Kirchenjahr beziehen – also genau auf jenen liturgischen Wochenende, an dem die Konzerte stattfinden.

Damit wird die Struktur der Messe nicht nur musikalisch, sondern auch inhaltlich erweitert und stärker in ihren liturgischen Rahmen eingebettet. Die ausgewählten Werke stammen aus der Epoche der Renaissance und des Frühbarocks – von Komponisten wie Giovanni Pierluigi da Palestrina, Jean Mouton, Carlo Gesualdo, Ivo de Vento und Heinrich Schütz. Ihre jeweils eigene Tonsprache bringt unterschiedliche Facetten geistlicher Musik zum Ausdruck: von kontemplativer Klarheit bis hin zu rhetorischer Ausdruckskraft. So treten diese Propriumsgesänge in einen vielschichtigen Dialog mit Martins Messe.